Montag, 14. Januar 2008

Nervensägen am Telefon



Video: "Nervensäge-Miss Goody" bei Youtube
http://www.youtube.com/watch?v=KfiEOEpTMdk

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Von Ernst Probst

Es gibt offenbar immer mehr Leute, die in dem Irrglauben leben, das Bezahlen von Telefongebühren berechtige sie, weltweit und jederzeit wildfremde Leute anzurufen. Und das nur, weil sie eine Frage haben und darauf sofort eine Antwort wünschen. Oder weil sie einem Unbekannten einen Service oder ein Produkt verkaufen wollen. Oder weil sie gerade Langeweile haben und zur Unzeit mal wieder etwas von sich hören lassen wollen.

Nachfolgend einige Beispiele für das Treiben solcher Nervensägen am Telefon:

Wie ein Wasserfall redet ein Zeitgenosse am anderen Ende der Leitung auf mich ein, der mir ausgerechnet während meines Mittagessens einen unschlagbar günstigen Telefontarif anbietet. Er findet es vollkommen unverständlich, dass jemand darauf überhaupt nicht eingeht. Kein Wunder: Ähnlich "einmalige" Angebote erhälte ich zeitweise jede Woche ...

Ein Schüler bittet gegen 18 Uhr via Handy um reichlich Textmaterial, das er dringend benötigt, um damit noch am selben Abend eine umfangreiche Arbeit schreiben zu können, die er am nächsten Morgen in der Schule abliefern will. Früher hatte er keine Zeit dafür, weil er erst dies und das machen musste.

Ein Mann bimmelt mitten in der Übertragung eines Fußball-Länderspiels der deutschen Nationalelf zu abendlicher Stunde an und meint, ein Anrecht auf die prompte Antwort einer Frage zu haben. Dabei hätte er sein Problem mit etwas Grips selbst im Internet lösen können.

Kurz vor Mitternacht - mitten in einem spannenden Krimi - ruft ein sehr flüchtiger Bekannter an. Er teilt mir freudig erregt mit, eine wichtige Persönlichkeit sei gerade bei ihm zu Besuch, man habe nett über mich gesprochen und nun würde man sich sehr freuen, wenn ich gleich vorbei käme, was ich aber partout nicht wollte.

Nach Mitternacht reißt mich ein offenbar betrunkener Asiate jäh aus dem Schlaf, der mir in schlechtem Englisch und mit verwaschener Sprache etwas, das ich überhaupt nicht brauche, aufschwatzen will. Weil er auf keinerlei Einwände reagiert, lege ich irgendwann völlig entnervt den Telefonhörer auf die Gabel.

Am späten Freitagnachmittag fällt einem deutschen Journalisten ein, dass ich ihm unbedingt ein bestimmtes Buch per Eilboten schicken soll, damit er einen Artikel zu einem bestimmten Thema verfassen kann. Der telefonisch vorgetragene Wunsch ist nicht erfüllbar, weil das Postamt schon geschlossen hat.

Mitten bei Kaffee und Kuchen am Sonntagnachmittag mit Verwandten, die ich lange nicht gesehen habe, fragt mich telefonisch ein Unbekannter, ob ich kostenlos sein mehrere hundert Seiten umfassendes Manuskript für ein Buch lesen und korrigieren wolle. Er ist völlig entgeistert, weil ich dafür leider keine Zeit habe. Das Thema sei doch so interessant.

Viele weitere solcher Fälle könnte ich hier problemlos hinzufügen. Aber dann laufe ich vielleicht Gefahr, dass sich einige der erwähnten Nervensägen in der Beschreibung wieder erkennen und erneut zur Unzeit anrufen, um zu erklären, dass doch alles nur gut gemeint gewesen sei ...

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