Mittwoch, 28. März 2007

Weltmeister im Jammern

Von Ernst Probst

Wenn mal ein Fußballspiel einer deutschen gegen eine ausländische Mannschaft nicht so gut läuft, wie erhofft, und deshalb volle Konzentration auf den TV-Bildschirm nicht lohnt, hört man schon mal genauer hin, was ein Fernsehjournalist sagt. Was da zu hören ist, übertrifft dann nicht selten das schlimmste Gebolze auf dem grünen Rasen um ein Vielfaches an Tristesse.

Das ständige und einfallslose Genörgle des Fernsehreporters ist dann kaum noch auszuhalten. Er verfällt in tiefste Depression, bekrittelt selbst geringste Fehler minutenlang und erweckt den falschen Eindruck, als habe er selbst noch nie einen schlechten Tag gehabt. Bei diesem Dauergejammere verpasst der Reporter manchmal sogar ein Traumtor der eigenen Elf ...

Genau genommen ist diese journalistische Leistung des Sportreporters nicht akzeptabel. Die erste und zweite Hälfte seiner Sätze passen oft nicht zusammen. Es häufen sich unpassende Vergleiche, Verwechslungen von Spielern, völlig daneben liegende Beschreibungen von Szenen, empörte Kritik an groben Fouls, die sich nachher in Zeitlupe als Hirngespinste entpuppen und Äußerungen über Nichtigkeiten, die mit Fußball überhaupt nichts zu tun haben.

Manche Fernsehreporter beschreiben das Outfit eines Stars auf dem grünen Rasen so, als es um eine Misswahl und nicht um ein Sportereignis ginge. Sie lassen sich über die Frisuren oder Stimmen von Spielern und deren Ausstrahlung bei Interviews aus. Andere TV-Reporter beklagen minutenlang, dass ein bestimmter Spieler keine Interviews mehr gibt, was allerdings kein Wunder ist, wenn man das Genöle der befragenden Journalisten öfter angehört hat.

Und wenn mal bei einem Länderspiel der deutschen Nationalmannschaft nicht schon in der ersten Halbzeit ein Tor für die eigene Elf fällt, zeigt sich erschreckend, wie wenig Geduld und Nerven manche Fernsehkommentatoren haben. Diese mangelnde Geduld scheint hierzulande ein Erzübel zu sein:

Wenn bei den alten Germanen in einer Schlacht Unvorhergesehenes passierte - zum Bespiel Blitz und Donner, eine Sonnenfinsternis oder ein Erdbeben - verloren die wilden Krieger rasch ihre Zuversicht und türmten nach Hause. Dort drohten ihnen allerdings die resoluten Ehefrauen, sie zu erwürgen, wenn sie nicht sofort auf das Schlachtfeld zurückkehren würden.

Vielleicht wären die Leistungen manches deutschen Sportjournalisten erträglicher, wenn er zuhause von seiner "besseren Hälfte" für seinen Unsinn zur Rechenschaft gezogen und zu mehr Zuversicht angehalten würde? Aber wahrscheinlich ist dies im "Heimatland der Weltmeister im Jammern" zuviel erhofft ...

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Ernst Probst veröffentlichte zusammen mit seiner Ehefrau Doris Probst das Buch "Der Ball ist ein Sauhund. Weisheiten und Torheiten über Fußball"

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